Forschungsgruppe für Systemarchäologie
„Vielleicht wird die Suche nach Regelmäßigkeiten in unserer Vergangenheit ein wenig ernster genommen - das wäre schon ein Zeichen, dass wir gelernt haben, über unsere Zukunft nachzudenken.“ Murray Gell-Mann, Nobelpreisträger für Physik und Mitbegründer des Santa Fe Institute.
Auf der Suche nach Gell-Manns Vision entwickelt die Forschungsgruppe Systemarchäologie das Feld der Geschichtswissenschaft auf der Grundlage der Theorie dynamischer Systeme. Die Forschungsgruppe setzt dabei auf interdisziplinäre Methoden, um vergangene menschliche Aktivitäten und ihre Umwelteinflüsse in Raum und Zeit genau und präzise zu beschreiben. Mit Hilfe von Modellen, die auf große Mengen unterschiedlicher Paläodaten angewandt werden, untersucht die Forschunsgruppe die kausalen Mechanismen hinter der gesellschaftlichen Dynamik unserer Vergangenheit. Oberstes Ziel ist es, historisches Wissen zu schaffen, das von Risikoanalysten und politischen Entscheidungsträgern bei der Bewältigung heutiger kollektiver Herausforderungen sinnvoll eingesetzt werden kann. Derzeit verfolgt die Gruppe folgende Forschungsthemen:
- Menschliches Handeln in komplexen dynamischen Systemen
- Entstehung und Auswirkungen technischer Innovationen
- Aufbau von Handelsnetzwerken für Materialien und Informationen
- Aufstieg und Fall historischer Gesellschaften
- Rückkopplungsmechanismen zwischen menschlichen, ökologischen und klimatischen Systemen
- Wechselwirkungen zwischen sozioökonomischen Ungleichheiten und sozialer Dynamik
Ein integraler Bestandteil unserer Arbeit ist Anwendung von Big Historical Data gemäß den FAIR-and-CARE-Prinzipien durch die Pandora & IsoMemo-Initiativen. Eine weitere Komponente dieser Initiativen ist die Entwicklung fortschrittlicher Open-Source-Modellierungswerkzeuge zur Rekonstruktion verschiedener Aspekte vergangener Mensch-Umwelt-Systeme und zur Untersuchung historischer Ursachen (weitere Einzelheiten unter dem Projekt Pandora & IsoMemo). Diese Arbeiten werden im Rahmen des Labors für Computational Archaeology (CA-Labor) und in Zusammenarbeit mit mehreren internationalen Einrichtungen durchgeführt.
Unsere Forschungsgruppe produziert auch neue Daten. Wir beaufsichtigen den Betrieb des Radiokohlenstofflabors (14C-Labor), einer sauberen nasschemischen Einrichtung, in der eine automatische Graphitierungsanlage Ionplus AGE 3 und tragbare XRF- und FTIR-Geräte zur Bewertung der Probenkonservierung untergebracht sind. In Zusammenarbeit mit der AMS-Einrichtung des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie setzen wir Radiokohlenstoff ein, um die Chronologie vergangener Ereignisse zu erstellen und als Indikator zur Untersuchung einer Vielzahl von Umweltphänomenen. Wir beaufsichtigen auch den Betrieb des Biochemie-Labors, das mit einem Gaschromatographie-Verbrennungsisotopen-Verhältnis-Massenspektrometer (elementar isoprime visION System), einem Gaschromatographie-Massenspektrometer (Agilent 8890) und einem Flüssigchromatographiesystem mit einem Triple-Quad-Massenspektrometer (Shimadzu LCMS 8050) ausgestattet ist. In Zusammenarbeit mit der Gruppe für stabile Isotope setzen wir Isotopenmethoden ein, um vergangene Gesellschaften und Umwelten zu untersuchen, und wir betreiben Grundlagenforschung, um ihre Anwendungsmöglichkeiten zu erweitern.
Forschungsprojekte
Pandora & IsoMemo Initiativien zur Zusammenstellung und Modellierung von Big Historical Data
Projektmitglieder: Sean Hixon, Carlo Cocozza, Marcus Groß, Jian Roachell, Traci N Billings, Adam Izdebski, Patrick Roberts, Ricardo Fernandes
Ein solides Verständnis historischer Dynamiken im Rahmen eines Systemansatzes erfordert große Mengen unterschiedlicher Daten. Diese sollten als verknüpfte offene Daten strukturiert werden, damit die verschiedenen Systemkomponenten effizient miteinander verbunden werden können. Um dies zu erreichen, haben wir in Zusammenarbeit mit der Max Planck Computing and Data Facility und der Max-Planck-Bibliothek sowie ca. 60 internationalen Partnern die Datenplattform Pandora entwickelt. Pandora ist eine Basisinitiative, die die Schaffung von unabhängig verwalteten Datengemeinschaften und größeren kollaborativen Datennetzwerken fördert. Dazu gehört das IsoMemo-Netzwerk, das ca. 40 frei zugängliche Datenbanken verbindet, die Isotopendaten über die Umweltgeschichte der Erde und ihrer menschlichen Bewohner von der tiefen Vergangenheit bis zur Gegenwart sammeln. Die über Pandora gesammelten Daten werden verwendet, um historische Hypothesen zu testen und in datengesteuerten Ansätzen, die historische Muster zu erkennen suchen.
Wir entwickeln außerdem neue, auf R basierende, Modellierungswerkzeuge. Diese werden online über die Open-Source-Softwareplattform Pandora & IsoMemo zur Verfügung gestellt und sind darauf ausgelegt, typische Aspekte historischer Daten wie fehlende Daten, Datenunsicherheiten und die Abhängigkeit von Experteninformationen zu berücksichtigen. Wir verwenden eine Bayes'sche Modellierung von Proxydaten und Experteninputs, um hochauflösende Rekonstruktionen verschiedener Aspekte zu erstellen, die vergangene Mensch-Umwelt-Systeme charakterisierten. Techniken des maschinellen Lernens, wie Bayes'sche Netzwerke und nichtlineare Modellauswahlalgorithmen, werden zur Untersuchung historischer Kausalität eingesetzt. Wir entwickeln und/oder arbeiten mit an der Entwicklung von Modellen und Software, um verschiedene Aspekte komplexer Systeme zu untersuchen, wie z. B. die Untersuchung zyklischer menschlicher und ökologischer Phänomene, die Erkennung kritischer Übergänge und ihrer Warnzeichen, die Simulation aufkommender Phänomene unter Verwendung agentenbasierter Modelle und die Netzwerkanalyse.
Pandora & IsoMemo tragen ebenfalls zur direkten Datenerhebung bei, die jedoch meist von den Mitgliedern des Netzes durchgeführt wird. Es laufen mehrere Forschungsprojekte, bei denen neu entwickelte Modellierungswerkzeuge auf die gesammelten Datensätze angewendet werden. Dazu gehören Projekte zur Untersuchung der Ausbreitung von Völkern, Haustieren und Technologien auf kontinentaler Ebene, zur Ermittlung der Ursachen für das Aussterben von Arten und zur Untersuchung nicht erfolgreicher menschlicher Anpassungen an den Klimawandel.
Die Nutzung künstlicher Intelligenz für die historische Forschung
Projektmitglieder: Jian Rochell, Ricardo Fernandes
Mehrere Techniken der künstlichen Intelligenz (KI), wie z. B. große Sprachmodelle, werden für Anwendungen in der historischen Forschung und ihre Beiträge zur aktuellen Politikgestaltung entwickelt. Dazu gehört eine Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Bibliothek, um den Prozess der Verfolgung und Extraktion von Expertenaussagen aus schriftlichen Veröffentlichungen zu automatisieren. Dieses KI-System kann effizient Expertenaussagen zu einem ausgewählten Thema aufspüren und eine prägnante Zusammenfassung erstellen. Wir planen, dieses KI-System zu nutzen, um den Expertenkonsens zu bewerten, den Grad der Expertise zu überprüfen und die Expertenaussagen nahtlos in historische Modelle zu integrieren. Außerdem setzen wir KI-Methoden ein, um den Prozess der Erstellung strukturierter historischer Datenbanken aus verschiedenen Textquellen zu beschleunigen. Eine weitere Anwendung ist die Integration von KI mit agentenbasierter Modellierung für System-of-Systems-Simulationen, bei denen KI eingesetzt wird, um die Folgen verschiedener politischer Maßnahmen innerhalb der Dynamik diverser Systeme, wie politischer, wirtschaftlicher, kultureller und ökologischer Systeme, zu testen.
Der Fall des römischen Reiches - systematisch untersucht
Projektmitglieder: Jian Rochell, Ricardo Fernandes
Der Zusammenbruch des Weströmischen Reiches ist seit langem Gegenstand wissenschaftlicher Forschung und des öffentlichen Interesses. Die genauen Ursachen des Zusammenbruchs sind jedoch nach wie vor nicht bekannt. Alexander Demandt zählte 210 verschiedene Ursachen für den Zusammenbruch aus der veröffentlichten Literatur auf. Bei der Aufarbeitung dieses Themas verwenden wir einen multivariaten Ansatz auf der Grundlage der Theorie komplexer Systeme, der die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Mensch-Umwelt-Subsystemen (z. B. sozioökonomische, politische, kulturelle, technologische, ökologische und klimatische) berücksichtigt. Um vergangene Systeme zu charakterisieren, sammeln und standardisieren wir bereits veröffentlichte Daten und führen neue Datenerhebungen durch. Neuartige Modellierungsmethoden für die Untersuchung historischer Ursachen werden auf die gesammelten Daten angewandt. Für die Zukunft planen wir, ähnliche Ansätze bei der Untersuchung anderer vergangener Gesellschaften anzuwenden.
Menschliche Lebensweisen im antiken Mittelmeerraum
Projektmitglieder: Carlo Cocozza, Dominika Schmidtová, Linda Melicherová, Ricardo Fernandes
In den letzten Jahren stand der Mittelmeerraum im Mittelpunkt des internationalen Interesses, da wirtschaftliche Zusammenbrüche, bewaffnete Konflikte und die durch den Klimawandel ausgelöste Verknappung der natürlichen Ressourcen zu einer Vielzahl von Reaktionen geführt haben, die von leichten sozialen Unruhen bis hin zu großen humanitären Krisen und Massenmigrationen reichen. Solche Probleme sind nicht neu, und die Gesellschaften des Mittelmeerraums haben im Laufe ihrer Geschichte die Folgen von Klima- und Umweltkatastrophen, Pandemien und bewaffneten Konflikten erlebt. Ziel dieses Projekts ist es, unser Verständnis für die Auswirkungen solcher Ereignisse auf die Lebensweise der Menschen im Mittelmeerraum und seiner Peripherie zu verbessern. Wir verwenden Multi-Proxy-Ansätze (z. B. Isotope, osteologische Analysen, archäofaunistische und archäobotanische Studien) und Bayes'sche Modellierung, um die Lebensbedingungen und produktiven Aktivitäten vergangener Bevölkerungen zu rekonstruieren und diese in ihren historischen und ökologischen Kontext zu stellen. Das Projekt stützt sich auf neuartige Standortstudien (z. B. Sparta, Athen, Rom, Ostia, Pompeji und Persepolis) und auf standardisierte Zusammenstellungen veröffentlichter Daten.
Entwicklung von Multi-Isotopen-Methoden für die Untersuchung vergangener Mensch-Umwelt-Systeme
Projektmitglieder: Sean Hixon, Ricardo Fernandes
Unsere Forschungsgruppe produziert neue historische und paläoökologische Daten in den Labors für Radiokohlenstoff- und verbindungsspezifische Isotopenanalyse. Letzteres steht unter gemeinsamer Leitung mit der Forschungsgruppe Biochemie, und das erstere ist Teil einer Zusammenarbeit mit dem AMS-Labor des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie. Isotope sind ein vielseitiges Forschungsinstrument, das für die Erstellung von Chronologien und die Untersuchung vergangener menschlicher Lebensbedingungen, wirtschaftlicher Aktivitäten, Austauschnetze, technologischer Entwicklungen und paläoökologischer und klimatischer Bedingungen eingesetzt wird. Die Grundlagenforschung zielt darauf ab, das Spektrum der Informationen zu erweitern, die mit isotopischen Methoden gewonnen werden können, die Genauigkeit und Präzision von Paläorekonstruktionen zu verbessern und den Schutz des kulturellen Erbes zu gewährleisten. Wir entwickeln neuartige Laborprotokolle für die Analyse archäologischer Proben, richten Verfahren zur Bestimmung der Probenkonservierung mit tragbaren FTIR- und XRF-Geräten ein und stützen uns auf fortschrittliche Massenspektrometrietechniken, um Messungen für eine Vielzahl von isotopischen Proxies durchzuführen.
Globalisierung von Düften und Gewürzen: Durch biomolekulare Archäologie dem Handel mit Aromastoffen auf der Spur
Projektleiterin: Barbara Huber
Der Fernhandel von Waren spielte eine wichtige Rolle bei der Herausbildung politischer Strukturen und der Weitergabe soziokultureller Praktiken zwischen den großen Zentren der antiken Zivilisation in der Alten Welt. Einige der wertvollsten Produkte, die auf den antiken Handelsrouten transportiert wurden, waren keine gehaltvollen, kalorienreichen Lebensmittel, sondern Harze, Pulver, Extrakte und obskure getrocknete Pflanzenbestandteile, die jedoch einen beträchtlichen Geschmack und ein starkes Aroma besaßen. Diese Substanzen hatten nicht nur die Fähigkeit, die Küche zu verändern und Menschen und Räume zu parfümieren, sondern spielten oft auch eine wichtige Rolle in wirtschaftlichen, kulturellen, medizinischen und rituellen Zusammenhängen.
Ziel dieses Projekts ist es, die globalen Dimensionen der Verbreitung der so genannten Gewürze in Asien und Ostafrika zu untersuchen. Dabei geht es nicht nur um die Verbreitung von Waren, sondern auch um die Weitergabe der mit ihrer Verwendung verbundenen soziokulturellen Praktiken. Um diese oft "unsichtbaren" Substanzen in der archäologischen Überlieferung aufzuspüren, versucht Barbara, ihre organischen Überreste mit Hilfe biochemischer und biomolekularer Ansätze zu untersuchen. Dabei kommen Chromatographie, Massenspektrometrie und Bioinformatik zum Einsatz, um seltene Moleküle (sekundäre Metaboliten, Lipide und Proteine), die in alten "Duftarchiven" aufbewahrt werden, zu gewinnen und zu analysieren. Bei diesen Archiven kann es sich um archäologische Artefakte handeln, wie z. B. Räuchergefäße, Parfümflaschen, Kochtöpfe oder Vorratsgefäße, die an verschiedenen Orten entlang der antiken Handelsrouten gefunden wurden. Andere Merkmale wie Zahnstein, mumifizierte Überreste oder Bodenoberflächen können ebenfalls als Archive dienen. Die wichtigste Eigenschaft solcher Duftarchive besteht darin, dass sie die Überreste der in der Vergangenheit verwendeten aromatischen Substanzen enthalten, die beprobt, analysiert und identifiziert werden können.
Auf diese Weise lassen sich individuelle Aromastoffe an bestimmten Punkten wie dem Ursprungsort, den verschiedenen Stationen auf den Handelsrouten sowie deren Bestimmungsort ausfindig machen. Diese Informationen erlauben nicht nur Rückschlüsse auf die Rekonstruktion des Handels in der Antike und die Verbreitung der Austauschsysteme, sondern auch auf vergangene Netzwerke und deren Verbindungen.
Erforschung von Ritualien zur Bestattung und Einbalsamierung, anhand von Metabolic Profiling im alten Ägypten
Projektleiterin: Barbara Huber
Bei der altägyptischen Mumifizierung wurde ein Cocktail aus Pflanzenmischungen verwendet, die umgangssprachlich als Einbalsamierungsflüssigkeiten bezeichnet werden und speziell dazu dienten, den Körper und die menschlichen Organe für das Leben nach dem Tod zu konservieren. Die Einbalsamierungsrituale wurden während des größten Teils der ägyptischen Geschichte praktiziert und setzten sich bis in die römische Zeit fort, was sie zu einem charakteristischen Merkmal der ägyptischen Gräberarchäologie macht. Die in diesem Prozess verwendeten Zutaten sind jedoch nur unzureichend bekannt, und ihre Identität wird von Historikern und Archäologen kontrovers diskutiert.
In dieser Studie integrieren wir komplementäre Ansätze der metabolomischen Profilerstellung und der Analyse von Lipidrückständen, um die Identität der bei der Mumifizierung verwendeten Inhaltsstoffe zu klären. Darüber hinaus können die Praktiken für die Behandlung der Körper und der Vorbereitung der Verstorbenen auf das Leben nach dem Tod, von denen in alten Texten berichtet wird, durch die tatsächlichen Substanzen und Heilmittel ergänzt werden, die zur Konservierung dieser Organe verwendet wurden.
Prähistorische menschliche Anpassung der terrestrischen Ökosysteme auf Madagaskar
Projektleiter: Sean Hixon MPI-GEA Projektkooperationen: Noel Amano, Thomas Larsen, Patrick Roberts
Der Verlust der Biodiversität ist eine der dringendsten Bedrohungen für Ökosysteme, insbesondere auf tropischen Inseln wie Madagaskar. Wirksame Maßnahmen zur Erhaltung sollten sich auf die Bewertung der kombinierten Bedrohungen durch Abholzung, biologische Invasionen und Klimawandel stützen, die auf unterschiedliche Zeitskalen wirken. In diesem Projekt werden Proxies aus den Knochen von durch den menschen-eingeführten Tieren (z.B. Vieh, Hunde und Nagetiere) und endemischen Tieren (z.B. ausgestorbene Megaherbivore und den noch existierenden Gattungen der Mausmakis und Nagetiere) verwendet, um taxonspezifische Reaktionen auf vergangene Veränderungen der Ressourcenverfügbarkeit in den letzten etwa 3.000 Jahren abzuschätzen. Radiokarbondaten aus Knochen tragen dazu bei 1) die Schätzungen über das Aussterben und die Einführung von Tieren während der vergangenen 2.000 Jahre zu verfeinern 2) die Aufzeichnungen von Tiervertretern mit regionalen Aufzeichnungen von Klima- und Vegetationsveränderungen zu verknüpfen. Diese Hinweise können in aktuelle Datensätze integriert werden, um einige der Umwelttoleranzen und unspezifischen Interaktionen abzuleiten, die wahrscheinlich die ökologischen Gemeinschaften Madagaskars in den letzten Jahrtausenden geformt haben.
Auf Spurensuche nach Ernährungsgewohnheiten in der Festung Louisbourg, Nova Scotia, Kanada (1713-1758)
Projektmitglieder: Alison Harris, Ricardo Fernandes
Das gegenwärtige System geprägt von Globalisierung und steigender gegenseitiger Abhängigkeit verschiedener menschlicher Populationen hat seine Wurzeln in der Massenmigration von Menschen, Tieren, Nutzpflanzen und kulturellen Überzeugungen von Eurasien nach Amerika, Asien, Afrika und Australien. In einigen Regionen ließen sich kulinarische Traditionen leicht in eine neue Umgebung einfügen, während in anderen Gebieten die Ernährungsgewohnheiten an die verfügbaren Nahrungsressourcen angepasst werden mussten. Die Festung Louisbourg in Nova Scotia, Kanada, florierte in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts und schützte die französischen Interessen der Kabeljaufischerei im Nordatlantik. Die Festung zog Bewohner:innen, Wanderfischer und Soldaten aus Neufundland, Frankreich, Neufrankreich und nach 1745 auch aus den Neuengland-Kolonien Massachusetts, Connecticut und Rhode Island an. Mit einer so vielfältigen Bevölkerung ist die Festung von Louisbourg ein interessantes Beispiel für die Beständigkeit und Anpassungsfähigkeit der Nahrungsmittelsysteme an der felsigen Küste von Cape Breton. Dieses Projekt nutzt die Analyse stabiler Isotope von Knochen- und Zahnkollagen und Aminosäuren, menschliche Osteologie und statistische Modellierung, um die Veränderlichkeit und Widerstandsfähigkeit von Ernährungssystemen in einer zunehmend vernetzten atlantischen Welt zu untersuchen.
Aminosäure-Isotopenuntersuchungen zur Säuglingsernährung und Physiologie
Projektmitglieder: Alison Harris, Sean Hixon, Ricardo Fernandes
Die Untersuchung von Ernährungspraktiken für Säuglinge ist entscheidend für das Verständnis von Entwicklungen der Säuglingssterblichkeit, der langfristigen Gesundheit und Bevölkerungsdemografie, der sozioökonomischen Rolle der Frau sowie der Familiendynamik und Versorgung. Die Analyse von stabilen Kohlenstoff- und Stickstoffisotopen in Knochen- und Zahnkollagen hat die Untersuchung der Ernährungsgewohnheiten von Säuglingen in archäologischen Aufzeichnungen revolutioniert und ermöglicht, direkte Informationen über die Ernährung von Individuen zu erhalten, die im Vergleich zu anderen skelettalen Markern für Gesundheit und sozialen Status interpretiert werden können. In diesem Projekt gehen wir bei der Isotopenanalyse alter Skelettproteine noch einen Schritt weiter, indem wir die Isotope von Kohlenstoff und Stickstoff in den Aminosäuren messen, aus denen Kollagen (Knochen und Zähne) und Keratin (Fingernägel) bestehen. Es sollen empfindlichere Indikatoren entwickelt werden, um die Dauer des ausschließlichen Stillens und die Art der Säuglingsnahrung zu ermitteln und zwischen ernährungsbedingten und physiologischen Quellen für Isotopenvariationen in menschlichen Skelettresten aus archäologischen Fundstätten in der nordatlantischen Welt zu unterscheiden.