Die Entwicklung der Laktase-Persistenz in Sudan und Südsudan

Forschende zeigten, dass komplexe Interaktionen aus Genfluss und Selektion dazu führten, dass sudanesische Bevölkerungen Laktase-Persistenz entwickelten

4. Juni 2021
Forschende der Universität Uppsala und dem Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte sequenzierten genetische Varianten, welche mit der Laktase-Persistenz in Verbindung gebracht werden und untersuchten deren Muster in Populationen aus Sudan und Südsudan.

Als einzig bekannte Art, können einige wenige Menschen, Milch ihr Leben lang verdauen. Forschende bezeichnen dies als die Laktase-Persistenz, welche seit langem von großem Interesse für die wissenschaftliche Gemeinschaft ist. Vor etwa 20 Jahren gelang es Forschenden, die dafür notwendige genetische Veranlagung zu identifizieren. In den darauffolgenden Jahren wurden unter arabischen und afrikanischen Populationen weitere Varianten entdeckt. Jedoch konzentrierten sich die Studien zur Laktase-Persistenz in Afrika nur selten auf alle fünf Allele und etliche afrikanische Regionen sind bislang kaum untersucht.

Die Forschenden untersuchten in dieser Studie an 18 sudanesischen und südsudanesischen Populationen alle bislang bekannten Polymorphismen, die mit der Laktase-Persistenz in Verbindung gebracht werden können. Die Populationen aus diesen Regionen sind unterschiedlich stark von Milchprodukten abhängig, darunter Milch von Kühen, Ziegen und Kamelen.

Die Forschenden beobachteten, dass pastoralistische Populationen häufiger die für die Laktase-Persistenz notwendigen Allele besitzen als solche, welche keinen Viehbestand halten. Insbesondere unter den Beja, ein Volk, welches die sudanesischen Küstenregionen bewohnt, befanden sich im weltweiten Vergleich besonders viele, die Milch verdauen können.

„Besonders bemerkenswert war, dass die Beja drei verschiedene Varianten für die Laktase-Persistenz aufwiesen. Während nordeuropäische Populationen oder Massai aus Kenia nur eine genetische Variante haben“, so Nina Hollfelder, Hauptautorin der Studie und Postdoc der Universität Uppsala.

Diese große Vielfalt an Allelen zeigt, dass der Genfluss einer der Treiber war, der die Verbreitung der Laktase-Persistenz im Sudan und Südsudan geformt hat.

„Unsere Studie unterstreicht die Bedeutung von Nordostafrika, um die gemeinsame Entwicklung von Genen und kulturellen Praktiken zu verstehen. Mithilfe höherer Probenzahlen aus den Regionen werden wir versuchen, die bislang unentdeckten Varianten zu entschlüsseln, welche zur Entwicklung des Laktase-Gens beitrugen“, so Hiba Babiker, Koautorin der Studie und Gastforscherin am MPI-SHH.

„Ebenfalls auffällig war, dass die Allele bislang nur selten in so hohen Zahlen beobachtet wurden“, fügt Carina Schlebusch, Hauptautorin der Studie und Assistenzprofessorin an der Universität Uppsala hinzu.

Es konnte bereits gezeigt werden, dass die Laktase-Persistenz einer starken positiven Selektion bei europäischen und ostafrikanischen Populationen unterliegt, was möglicherweise darauf hindeutet, dass Menschen, die Milch verdauen konnten, eine historisch betrachtet höhere Fitness hatten. Den Forschenden gelang es schließlich zu zeigen, dass die genetischen Eigenschaften der sudanesischen Populationen mit den Merkmalen positiver Selektion übereinstimmen.

Zum ersten Mal wurden damit alle fünf Allele, die für die Laktase-Persistenz verantwortlich gemacht werden, im Sudan und in Südsudan untersucht. Gleichzeitig zeigten die nilotischen Populationen in Südsudan, welche sich ebenfalls an die Milchverdauung anpassten, keine Indizien für eine genetische Ursache der Laktase-Persistenz.

 „Dies zeigt noch einmal eindrücklich, wie komplex die Laktase-Persistenz in Afrika eigentlich ist. Es zeigt auch, dass noch weitere Bemühungen notwendig sind, um die Ursachen und Treiber der Laktase-Persistenz in Afrika zu verstehen“, so Matthias Jakobsson, Hauptautor der Studie und Professor an der Universität Uppsala.

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