MPI-SHH Studie unter den „Top 10 Discoveries of 2020“

16. Dezember 2020

Die Herausgeber des renommierten Archaelogy Magazine haben die Studie „Origin and health status of first-generation Africans from early colonial Mexico“ (Herkunft und Gesundheitsstatus von Afrikanern der 1. Generation im frühkolonialen Mexiko) zu einer der zehn interessantesten archäologischen Forschungsarbeiten des Jahres 2020 gewählt.

Durch die Kombination von Molekularbiologie, Isotopenanalyse und Methoden der Bioinformatik mit klassischen historischen, anthropologischen und archäologischen Befunden ist es einem internationalen Forschungsteam* unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte (MPI-SHH) gelungen, Einblicke in die Lebensgeschichte dreier afrikanischer Individuen zu gewinnen, die im 16. Jahrhundert im frühkolonialen Mexiko starben. Gefunden wurden ihre sterblichen Überreste bereits in den 1980er Jahren in einem Massengrab auf dem Gelände des ehemaligen Hospital Real de San José de los Naturales. Äußerlich auffällig waren die Modifikationen an ihren Schneidezähnen, eine kulturelle Praktik, über die im Zusammenhang mit afrikanischen Sklaven berichtet wurde und die heute noch bei einigen Bevölkerungsgruppen in Westafrika ausgeübt wird.

Angehörige der 1. Generation versklavter Afrikaner

Die genetische Analyse zeigte, dass alle drei Personen eine Afrikanische Y-Chromosom-Linie aufweisen, die heute in Afrika weit verbreitet ist, und auch häufig in der afroamerikanischen Bevölkerung vorkommt. Die Isotopenanalyse ergab, dass alle drei Personen außerhalb Mexikos geboren wurden und die Osteo-Biographien belegen jahrelange körperliche Misshandlungen und Überbeanspruchung bis zu einem vorzeitigen Tod. Zusammengenommen legen diese Ergebnisse nahe, dass die untersuchten Individuen in Afrika geboren wurden und aus ihren Heimatländern in Subsahara-Afrika entführt wurden. Sie zählten mutmaßlich zur 1. Generation versklavter Afrikaner, die in den 1520er Jahren nach Mexiko verschleppt wurden.

 „Ich freue mich sehr, dass unsere Arbeit so viel Interesse findet, denn das Leben und Sterben der Menschen aus historisch unterdrückten Gruppen liegt noch viel zu oft unbeachtet in Massengräbern verborgen“, sagt Erstautor Rodrigo Barquera. „Wir hoffen, dass wir mit Studien wie dieser in Zukunft die Lebensgeschichte einzelner Individuen detailliert rekonstruieren können, um das von ihnen erlittene Unrecht zu dokumentieren, aber auch um ihre Leistungen sichtbar zu machen.


*Zum Forschungsteam gehörten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aller drei Abteilungen am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte (MPI-SHH), der unabhängigen Max-Planck-Forschungsgruppe tide - Transmission, Infection, Diversification & Evolution Group am MPI-SHH sowie von zwei Laboren der Escuela Nacional de Antropología e Historia (ENAH) in Mexiko-Stadt, Mexiko.

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