Feldarbeit trotz COVID-19? Dringende Änderungen für wissenschaftliche Feldforschung in Zeiten von Corona

In einem in Nature Ecology and Evolution veröffentlichten Artikel, diskutiert eine multidisziplinäre Gruppe von Forschenden die Zukunft der Feldforschung angesichts der COVID-19-Pandemie.

14. September 2020
Eleanor Scerri und Denise Kühnert, Forschungsgruppenleiterinnen am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte und ihre Kollegen*innen am und außerhalb des Instituts diskutieren über die  Zukunft von Feldforschung in Zeiten von Corona. Sie gehen dabei auf die epidemiologischen Eigenschaften von SARS-CoV-2 ein und legen dar, wie Wissenschaften, die Feldforschung betreiben, sich anpassen können. Sie zeigen Möglichkeiten zur Neugestaltung der bisherigen Arbeitsweisen auf, um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden.

Die Expertise der Autoren*innen reicht von der Archäologie, über die angewandten Geowissenschaften bis hin zur Infektionsdynamik ansteckender Krankheiten. Sie repräsentieren eine Vielzahl von Perspektiven – vom globalen Norden bis zum Süden, von Industrienationen zu Inselstaaten. Durch diesen breiten Wissens- und Erfahrungspool waren die Autoren*innen in der Lage eine breite Auswahl von Hindernissen und möglichen Lösungen zu betrachten und gleichzeitig ethische Aspekte und Schutzmaßnahmen in ihre Vorschläge einzuarbeiten. So umreißt der Artikel Protokolle für die Zusammenarbeit aus der Ferne, welche Änderungen aufseiten von Förderorganisationen notwendig sind, sowie Änderungen im akademischen Lehrplan.

„Das Projekt begann als eine Reihe von Diskussionen mit internationalen Kollegen*innen, um positive Lösungen für die Probleme zu finden, mit denen wir zurzeit konfrontiert sind“, so Dr. Eleanor Scerri, Leiterin der Pan-African Evolution Research Group am MPI-SHH.

„In Zukunft werden wir wahrscheinlich räumlich und zeitlich versetzte Wellen von COVID-19-Infektionen sehen“, fügt Dr. Denise Kühnert, Leiterin der Transmission, Infection, Diversification & Evolution-Forschungsgruppe (tide) hinzu. „Es ist klar, dass wir nicht einfach die gesamte wissenschaftliche Feldforschung pausieren oder uns nur auf kurzfristige Linderungs-Strategien verlassen können.“

Zu den Empfehlungen der Wissenschaftler*innen zählt u. a. die Entwicklung von digitalen Archiven, welche im Sinne von Open Source voll zugänglich für Forschende sein sollen. Gleichzeitig unterstreichen die Autoren*innen die Bedeutung von Technikern*innen, eine intensive Ausbildung von technischen Berufen sowie finanzielle Unterstützung für die Entwicklung neuer Forschungsmethoden. Um grundlegende Methoden der Feldinterpretation nicht zu verlieren, zeigt das Team, wie eine virtuelle Ausbildung mit sicheren, lokalen und mit ausreichend Abstand durchgeführten Übungsausgrabungen kombiniert werden kann.

In ihren Ausführungen verweisen die Autoren*innen darauf, dass die wissenschaftliche Dekarbonisierungsbewegung seit langem Veränderungen in der Feldforschung fordert. Die Bewegung – die unter anderem versucht, den reisebedingten CO2-Fußabdruck von Wissenschaftlern*innen zu verringern – plädieren auch für einen verstärkten Einsatz von Technologien, die die Zusammenarbeit aus der Ferne fördern.

„Wir betrachten diese Hindernisse auch als Chancen, um die Art und Weise, wie wissenschaftliche Feldforschung gelehrt, praktiziert und finanziert wird neu zu gestalten“, so Scerri. „Dies ist unsere Chance auf eine bessere, sozial und ökologisch faire Zusammenarbeit.“

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