Archäologische Funde aus 78.000 Jahren belegen frühe kulturelle Innovationen in Ost-Afrika
Eine internationale, multidisziplinäre Gruppe von Wissenschaftler/-innen, deren Forschungsschwerpunkt auf der ostafrikanischen Küste liegt, hat in Kenia eine bedeutende archäologische Höhle entdeckt. Diese weist sowohl Aktivitäten von Jägern und Sammlern, sowie von Bewohnern aus der Eisenzeit auf. Intensive Umweltuntersuchungen ergaben, dass die Menschen das Randbiotop zwischen Wald und Graslandschaft dauerhaft als Lebensraum nutzten. Dies liefert erstmals Beweise dafür, dass Menschen Zuflucht und Schutz in einer klimastabilen Umgebung suchten. Bis dato waren nur wenige Informationen aus den letzten 78.000 Jahren von der Küstenregion Ostafrikas bekannt. Die archäologische Forschung fokussierte sich im Wesentlichen auf das Rift Valley und Südafrika
Besiedlung fand in den feuchten, küstennahen Waldgebieten statt
Eine groß angelegte interdisziplinäre Untersuchung, welche die wissenschaftliche Analyse pflanzlicher und tierischer Überreste sowie von Muscheln aus der Höhle beinhaltet, weist auf die hohe Beständigkeit der Wälder und Graslandschaften in dieser Gegend hin. Da die Umgebung der Höhle sich im Laufe der Zeit nur wenig veränderte, stellte sie für Menschen eine günstige Wohnstätte dar, selbst in Zeiten, in denen andere Teile Afrikas unbewohnbar waren. Dies deutet darauf hin, dass Menschen die Umgebung der Höhle und die angrenzenden Landstriche über lange Zeit nutzten, wobei sie sich auf pflanzliche und tierische Ressourcen verließen, sogar als die weitere Umgebung austrocknete. Die ökologischen Bedingungen von Panga ya Saidi sind ein Hinweis darauf, dass Homo sapiens auf seiner Wanderung durch Afrika und Eurasien in der Lage war, sich an eine Vielzahl von Umgebungen anzupassen. Das legt die Vermutung nahe, dass Flexibilität und Anpassungsfähigkeit eines der signifikantesten Kennzeichen unserer Art ist. Homo sapiens haben eine Reihe von Strategien entwickelt, um in unterschiedlichen Lebensräumen überleben zu können. Dies beinhaltet Tropenwälder, Trockenzonen, Küsten und kältere Umgebungen in größeren Höhen.
Technologische Innovationen vor 67.000 Jahren
Sorgfältig hergestellte Steinwerkzeuge aus der mittleren Steinzeit wurden bereits in Schichten gefunden, deren Alter auf mehr als 78.000 Jahre datiert wird. Einen bemerkenswerten Technologiewandel, der die spätere Steinzeit kennzeichnet, spiegelt jedoch der Fund kleinerer Artefakte wider, die vor rund 67.000 Jahren gefertigt wurden. Die kleiner werdenden Steinwerkzeuge könnten auf Veränderungen von Jagdpraktiken und -verhalten basieren. Die Funde von Panga ya Saidi nach dieser Periode zeigen jedoch eine Kombination von verschiedenen Technologien. Zudem kann zu keiner Zeit ein radikaler Wandel von Verhaltensweisen nachgewiesen werden. Dies spricht gegen die kognitiven und kulturellen „Revolutionen“, die von manchen Archäologen angenommen wurden. Darüber hinaus kommt es während des Toba-Vulkanausbruchs vor 74.000 Jahren zu keinem nennenswerten Einbruch der menschlichen Aktivitäten. Das unterstützt die Annahme, dass der sogenannte vulkanische Winter nicht zur fast völligen Auslöschung der Menschheit führte. Hinweise auf intensivere Nutzung der Umgebung deuten weiter darauf hin, dass die Bevölkerung vor rund 60.000 Jahren an Größe zunahm.
Bislang älteste kulturelle und symbolische Fundstücke in der Höhle gefunden
Der weit zurückreichende archäologische Befund der Panga ya Saidi Höhle enthält bemerkenswerte neue Funde, welche von der kulturellen Komplexität dieser langen Zeitperiode zeugen. Unter den Fundstücken waren bearbeitete und mit Schnitzereien versehene Knochen, bearbeitetes Ocker, Perlen aus Straußeneiern und Muscheln. Panga ya Saidi förderte die bislang älteste Schmuckperle Kenias zutage, deren Alter auf 65.000 Jahre datiert wurde. Seit etwa 33.000 Jahren, wurden dekorative Perlen gewöhnlich aus Muscheln von der Küste hergestellt. Während dies zwar Interaktionen mit Küstenregionen zeigt, gibt es keine Beweise dafür, dass marine Ressourcen regelmäßig für den Lebensunterhalt genutzt wurden. Schmuckperlen aus Straußeneiern wurden vermehrt vor rund 25.000 Jahren gefertigt. Vor rund 10.000 Jahren vollzog sich dann ein erneuter Wandel zu Muscheln. In Schichten, deren Alter zwischen 48.000 und 25.000 Jahre liegt, wurden geschnitzte Knochen und Stoßzähne, ein dekorierter Hohlknochen, eine kleine Knochenspitze und bearbeitete Ockerstücke gefunden. Zwar deutet dies auf Verhaltenskomplexität und Symbolismus hin, aber ihr lückenhaftes Auftreten spricht eher gegen das Modell einer Verhaltens- oder kognitiven Revolution zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Projektleiterin Dr. Nicole Boivin, Direktorin der Abteilung für Archäologie am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, erklärt: „Das Hinterland der ostafrikanischen Küste und seine Wälder wurde lange Zeit als für die menschliche Evolution marginal erachtet. Die Entdeckungen aus der Panga ya Saidi Höhle werden sicherlich die Ansichten und Wahrnehmungen einiger Archäologen verändern.
Dr. Patrick Roberts, Leiter des Labors für Stabile Isotopen, sagt: „Das Wissen über die Besiedlung einer tropischen Wald-Graslandschaft erweitert unseren Kenntnisstand darüber, dass unsere Art in einer Vielfalt von Lebensräumen in Afrika gelebt hat.“
„Die Funde aus Panga ya Saidi widersprechen der Hypothese, dass Küstenregionen als eine Art „Schnellstraße“ genutzt wurden und somit die Migration von Menschen aus Afrika und rund um den Indischen Ozean möglich gemacht hätte“, erläutert Professor Michael Petraglia.
Das internationale Konsortium der an diesem Projekt beteiligten Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, wird durch das Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Zusammenarbeit mit dem Nationalmuseum in Kenia geleitet.
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