Jungsteinzeitlicher Ursprung der Tuberkulose durch Überreste eines schwedischen Bischofs bestätigt
Peder Winstrup, Bischof von Lund (Schweden), verstarb im Winter 1679 im Alter von 74 Jahren und wurde in der Krypta der Kathedrale von Lund beerdigt. Mehr als drei Jahrhunderte später liefern seine erstaunlich gut erhaltenen Überreste nun Einblicke in den Ursprung der Tuberkulose.
Als die Anthropologin Caroline Arcini und ihre Kollegen*innen des schwedischen naturhistorischen Museums Kalkeinlagerungen in der sehr gut erhaltenen Lunge des schwedischen Bischofs Peder Winstrup entdeckten, war ihnen bewusst, dass hier umfangreichere Untersuchungen nötig waren. „Wir vermuteten, dass es sich dabei um die Überreste einer Lungenerkrankung handelte, sehr wahrscheinlich Tuberkulose. DNA-Analysen waren der beste Weg, um dies nachzuweisen“, so Arcini.
Es wird vermutet, dass knapp ein Viertel der Weltbevölkerung bereits in Kontakt mit Bakterien des Mycobacterium tuberculosis Komplex, welches Tuberkulose (TB) verursacht, kam. Wie viele andere, erkrankte vermutlich auch Bischof Winstrup an der Lungenkrankheit. Auch ‚Weiße Pest‘ genannt, verbreitete sich die Tuberkulose pandemieartig über das Europa der frühen Neuzeit. Noch heute zählt TB zu einer der häufigsten Krankheiten und verursacht die höchste Sterblichkeit infolge einer bakteriellen Infektion.
Die weltweite Verbreitung der TB führte zu der anhaltenden Vermutung, dass sich das Pathogen bereits früh in der Menschheitsgeschichte entwickelt haben musste und sich durch Migrationsbewegungen aus Afrika vor zehntausenden Jahren global ausbreitete. Eine jüngere Studie um das vorzeitliche TB-Pathogen stellt jedoch diese Annahmen über den Ursprung der Tuberkulose im Menschen infrage. 2014 rekonstruierte ein Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Tübingen und der Arizona State University drei vorzeitliche TB-Genome aus der Zeit des präkolonialen Südamerikas. Die Analysen ergaben, dass die präkolonialen Erregerstämme mit Erregern verwandt sind, die heutzutage in Robben und Seelöwen gefunden werden, und dass sich die Tuberkulose, wie wir sie heute kennen, erst innerhalb der letzten 6000 Jahre entwickelte. Jedoch wurden diese Ergebnisse skeptisch betrachtet, da die historischen Genome nur wenig repräsentativ für die in Menschen gefundenen heutigen Erregerstämme sind.
„Die Entdeckung der Lungenverkalkungen gab uns die Möglichkeit, den Ursprung der Tuberkulose mithilfe der bakteriellen DNA in den Überresten des Bischofs erneut zu beleuchten“, so Kirsten Bos, Gruppenleiterin für Molekulare Paläopathologie am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte (MPI-SHH) und Leiterin der Studie. „Sollte es uns gelingen, ein Tuberkulosegenom von Bischof Winstrup zu rekonstruieren, dessen genauen Todestag wir kennen, hätten wir eine sichere und unabhängige Kalibrierung, um das tatsächliche Alter der Tuberkulose, wie wir sie heute kennen, zu schätzen.“
Die zurzeit beste Rekonstruktion
In einer aktuellen Studie in Genome Biology rekonstruieren Susanna Sabin und ihre Kolleginnen und Kollegen vom MPI-SHH das Tuberkulosegenom aus den Kalkablagerungen der Lunge des Bischofs.
„Das Genom ist besonders gut erhalten – eine Seltenheit, wenn man mit historischer DNA arbeitet“, so Bos.
Mithilfe einer Handvoll von Tuberkulosegenomen, welche durch andere Studien rekonstruiert worden waren, kombiniert mit dem Todeszeitpunkt des Bischofs als präzise Kalibrierung, untersuchten die Forschenden die Frage nach dem zeitlichen Ursprung des Mycobacterium-Komplexes erneut. Tatsächlich ordneten verschiedene molekulare Datierungsmodelle den Mycobacterium-tuberculosis-Komplex übereinstimmend als relativ jung ein.
„Die genetischen Daten aus mehreren geographischen Regionen und Zeitabschnitten unterstützen damit eine spätere Entstehung des Tuberkulosepathogen-Komplexes“, so Sabin, Erstautorin der Studie. „Es ist der bislang stärkste verfügbare Nachweis für die Entstehung des Krankheitserregers während des Neolithikums.“
Damit werden die bisherigen Annahmen, wann der Mycobacterium-tuberculosis-Komplex für den Menschen so hochansteckend wurde, in ein neues Licht gerückt. Gleichzeitig wirft die Untersuchung neue Fragen zum Kontext seiner Entstehung auf. Denn dieser scheint sich zeitlich mit der Entwicklung des Pastoralismus und zunehmender Sesshaftigkeit zu überlappen.
„Diese sogenannte neolithische Revolution scheint eine wichtige Rolle für die Entstehung einer Reihe menschlicher Krankheitserreger gespielt zu haben“, so Denise Kühnert, Gruppenleiterin für Infektionsdynamik am MPI-SHH und Co-Leiterin der Untersuchung.
„Insbesondere im Fall der Tuberkulose könnten klarere Beweise nur mithilfe noch älterer Genome gewonnen werden, obwohl bakterielle Genome aus so früher Zeit selten so gut erhalten sind, wie jenes von Bischof Winstrup“, fügt Bos hinzu.
„Wir hoffen dennoch zukünftig ähnlich gut erhaltene DNA aus Zeitabschnitten nahe der Entstehung des Komplexes zu finden, oder sogar von dessen Vorfahren“, so Sabin.