"Reverse-Engineering": Über den Zusammenhang zwischen dem Wert von Münzen und ihrer Gestaltung

Anhand von Erkenntnissen aus Psychologie, Linguistik und Wirtschaftswissenschaft untersucht eine neue Studie die Merkmale der Münzen von 182 modernen Währungen auf die ihnen zugrundeliegenden Gestaltungsprinzipien

3. Februar 2020

In einer neuen Arbeit, die in der Fachzeitschrift Cognition veröffentlicht wurde, versuchen Barbara Pavlek, James Winters und Olivier Morin von der Gruppe Minds and Traditions (Mint) am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte die Hintergründe von Münzgeld zu entschlüsseln , indem sie zeigen, dass die Eigenschaften heutiger Münzen auf der ganzen Welt grundlegende kognitive Mechanismen und kommunikative Bedürfnisse des Menschen widerspiegeln.

Der Wert einer Münze wird bei den meisten heutigen Währungen in Form von Schriftzeichen oder numerischen Zeichen angegeben. Bei alltäglichen Transaktionen sind jedoch die physischen Eigenschaften einer Münze (Größe, Gewicht, Farbe) und die grafische Gestaltung (unverwechselbare Bilder) gleichermaßen wichtig, um die Münzen voneinander zu unterscheiden und Probleme an der Kasse zu vermeiden. Angesichts der Allgegenwart von Münzen sowohl in modernen als auch in historischen Währungen, sollten sie so gestaltet sein, dass das Design den Wert der jeweiligen Münze schnell und einfach kommuniziert. Aber ist das tatsächlich der Fall?

Um zu untersuchen, wie die Merkmale der Münzen deren Wert widerspiegeln, analysierte das Team 1132 Münzen aus 182 modernen Währungen und stellte fest, dass das Design der Münzen sowohl informativ als auch simpel sein kann und versucht, den Benutzern zu helfen, schnell die richtige Münze zu finden, ohne sich zu viele verschiedene Bilder einprägen zu müssen. Die Analyse ergab, dass Münzen von höherem Wert mit größerer Wahrscheinlichkeit eindeutige Bilder aufweisen und dass die Beziehung zwischen der Größe einer Münze und ihrem Wert logarithmisch ist, was kognitive Tendenzen bei der Wahrnehmung von Wert und Größe widerspiegelt.

Die Gestaltung der Münzen markiert hohe Wertunterschiede

Angesichts früherer Untersuchungen, die zeigten, dass das Aussehen von Bargeld die Art und Weise beeinflussen kann, wie Menschen es ausgeben, wollten die Forschenden herausfinden, ob die Eigenschaften der Münzen die kognitiven Verzerrungen widerspiegeln, die das wirtschaftliche Verhalten beeinflussen. Sie begannen damit, die Stichprobe von Münzen in benachbarte Paare zu gruppieren - benachbarte Nennwerte innerhalb einer Währung, z.B. die 1- und 2-Euro-Cent-Münzen, die 2- und 5-Euro-Cent-Münzen, die 5- und 10-Euro-Cent-Münzen usw. Anschließend stellten sie logistische Modelle auf, um vorherzusagen, ob die Münzen des benachbarten Paares das gleiche Bild und die gleiche Farbe haben würden und ob der Wertunterschied mit dem Größenunterschied korreliert.

Dabei zeigte sich, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Bilder und Farben der Münzen voneinander abweichen, umso größer ist, je größer der Wertunterschied zwischen den Münzen eines Paares ist. "Die Tatsache, dass die Gestaltung der Münzen bei hohen Wertunterschieden unterschiedlicher und damit informativer ist, bestätigt eine unserer Hauptannahmen", sagt Olivier Morin, "und sie zeigt, dass die menschliche Kommunikation Kategorien schafft, die einen Kompromiss zwischen Informativität und Einfachheit darstellen und funktionale Einschränkungen respektieren.“

Eine logarithmische Darstellung des Wertes

Erkenntnisse aus Wirtschaftswissenschaft und Psychologie legen nahe, dass es mehrere Faktoren gibt, welche die Art und Weise beeinflussen, wie unsere Kognition Größen darstellt und wirtschaftliche Transaktionen steuert. Sowohl die Grenznutzentheorie als auch die Psychophysik implizieren, dass unser Verstand eine logarithmische Beziehung zwischen einer Geldsumme und dem Nutzen, den wir daraus ableiten können, herstellt. In Übereinstimmung damit zeigte sich in der Studie, dass die Münzgrößen den Münzwerten auf einer logarithmischen Skala folgen.

"Diese Studie verbindet die Forschung über die Wahrnehmung und Verwendung von Münzen in alltäglichen Transaktionen mit Studien über die numerische Kognition und die Informationseffizienz kategorischer Systeme, die Menschen entwickelt haben", sagt Barbara Pavlek. "Sie ist auch ein Beispiel dafür, dass die Gestaltung von Alltagsgegenständen nicht trivial ist: Um potenziell kostspielige Verwechslungen zu vermeiden, sollten auch bei der Gestaltung neuer Münzen diese ergonomischen Erkenntnisse berücksichtigt werden."

Die Forscher hoffen, dass die Ergebnisse dieser Studie ergonomische Währungen fördern und dazu beitragen werden, kostspielige Designfehler zu vermeiden. Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass Münzgestalter Alltagspsychologen sind, die unvollkommene, aber klare kognitive und ergonomische Prinzipien anwenden.

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