War die Justinianische Pest weniger folgenschwer als bislang angenommen?

4. Dezember 2019
Die Auswirkungen der spätantiken Pandemie, die allgemein als Justinianische Pest bekannt ist, wurden möglicherweise überschätzt. Dies zeigt eine Untersuchung verschiedener Datensätze, die u.a. Daten über zeitgenössische Bestattungspraktiken, Münzen und Pollen umfassen.

Unter der Leitung von Forschern des National-Socio Environmental Synthesis Center (SESYNC) der Universität Maryland, fanden die Forscher heraus, dass das Ausmaß möglicherweise überschätzt wurde. Obwohl verschiedene Datensätze untersucht wurden, konnten keine konkreten Effekte gefunden werden, die der Pest schlüssig zugeschrieben werden könnten. Die Studie erschien am 2. Dezember in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS).

„Unser Artikel ist der erste, in dessem Zusammenhang eine so große Anzahl neuer interdisziplinärer Erkenntnisse untersucht wurde“, so Hauptautor Lee Mordechai, Postdoktorand bei SESYNC und Ko-Leiter der Princeton Climate Change and History Research Initiative (CCHRI). Mittlerweile ist er leitender Dozent an der Hebrew University of Jerusalem. „Fall diese Seuche ein Schlüsselmoment der Menschheitsgeschichte war und zwischen einem Drittel bis zur Hälfte der Mittelmeerbevölkerung in wenigen Jahren tötete, wie oft behauptet, dann sollten wir dafür Beweise haben. Unsere Untersuchung der Datensätze fand jedoch keine.“

Das Forschungsteam, das über das CCHRI zusammenarbeitete, untersuchte zeitgenössische schriftliche Quellen, Inschriften, Münzen, Papyrusdokumente, Pollenproben, Pollengenome und Leichenarchäologie.

Die Forscherinnen und Forscher konzentrierten sich dabei auf den Zeitraum auch bekannt als Spätantike (300-800 n.Chr.), wozu der Untergang des Römischen Kaiserreiches und die muslimischen Eroberungen zählen; Ereignisse die mit der Pest in Verbindung gebracht wurden.

Die Geschichte der Spätantike in einem neuen Licht

„Unsere Studie schreibt die Geschichte der Spätantike von einer Umgebungsperspektive aus neu und geht nicht davon aus, dass die Pest die Welt verändert hat,“ so Merle Eisenberg, ebenfalls eine Postdoktorandin, Mitglied des CCHRI und Koautorin der Studie. „Die Studie ist bemerkenswert, da Historiker diese PNAS Veröffentlichung leiteten, die sich auf die sozialen und wirtschaftlichen Effekte der Pest fokussierten.“

Das Forschungsteam erkannte, dass vorherige Studien sich auf eher ‚dramatische‘ Berichte stützten und diese auf den gesamten Mittelmeerraum anwandten, gleichzeitig jedoch hunderte andere zeitgenössische Texte ignorierten, die die Pest überhaupt nicht erwähnen.

„Obwohl die Pestforschung eine interdisziplinäre und fordernde Forschungsrichtung ist, verlassen sich die meisten Pestforscher auf Beweisarten, für deren Verwendung sie ausgebildet wurden. Wir sind das erste Team, dass das Ausmaß der Pest mithilfe verschiedenster Datensätze untersucht. Und wir fanden keinen Grund zur Annahmee, dass die Pest das Leben von mehreren zehn Millionen Menschen forderte,“ sagt Koautor Timothy Newfield, ein weiterer Koleiter des CCHRI, heute ein Assistenzprofessor für Geschichte und Biologie der Georgetown University. „Es besteht die gängige Auffassung, dass die Pest den Lauf der Geschichte veränderte. Das ist eine einfache Erklärung, zu einfach. Es ist notwendig eine kausale Verknüpfung zu erstellen.“

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