Der Steingebrauch von Seeottern hinterlässt markante archäologische Beweise

Das Forschungsteam nutzt einen interdisziplinären Ansatz, der Ökologie und archäologische Methoden kombiniert, um das Verhalten von Seeottern zu untersuchen.

14. März 2019

Ein internationales Forscherteam hat die Verwendung von großen, küstennahen Felsen als "Ambosse" zum Aufbrechen von Muschelschalen analysiert, ebenso wie mit der Zeit gewachsene Muschelhaufen. Mit ökologischen und archäologischen Ansätzen identifizierten die Forscherinnen und Forscher Muster, die für die Nutzung solcher Orte durch Seeotter charakteristisch sind. Durch die Betrachtung von Beweisen für die Nutzung von Steinen als Ambosse in der Vergangenheit könnten Wissenschaftler die Lebensraumnutzung von Seeottern besser verstehen.



Seeotter sind besonders interessante Meeressäuger, bekannt für ihre Verwendung von Steinen zum Aufbrechen von Muscheln. Es wird geschätzt, dass Seeotter einst zwischen 150.000 und 300.000 Individuen gezählt haben, deren Verbreitungsgebiet sich von Baja California, Mexiko, über den nördlichen Pazifikrand bis nach Japan erstreckte. Ihre Zahl wurde durch den Pelzhandel drastisch reduziert. In Kalifornien wurde die Population der südlichen Seeotter auf etwa 50 Individuen reduziert, aber durch massive Erhaltungsmaßnahmen konnte ihre Zahl wieder auf etwa 3000 steigen. Der südliche Seeotter gilt jedoch nach wie vor als bedroht.

Seeotter sind einzigartig, weil sie das einzige Meeressäugetier sind, das Steinwerkzeuge verwendet. Sie benutzen oft Steine, um offene Muscheln zu knacken, während sie auf dem Rücken schwimmen. In anderen Fällen verwenden sie auch stationäre Felsen entlang der Uferlinie als "Ambosse", um offene Mollusken, insbesondere Muscheln, zu knacken. Ein gemeinsames Projekt mit unter anderen dem Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, dem Monterey Bay Aquarium,  der University of California, Santa Cruz, hat zu einer bisher einzigartigen, interdisziplinären Studie geführt, die in Scientific Reports veröffentlicht wurde. Darin kombinierte man Beobachtungen von Seeottern der letzten zehn Jahre mit archäologischen Methoden zur Analyse der Verwendung solcher Amboss-Steine, welche auch als emergente Ambosse bekannt sind.

Verwendung von Amboss-Steinen durch Seeotter hinterlässt ausgeprägte Abnutzungspuren und Muschelbruchstücke, die für Seeotter typisch sind

Forscher und Forscherinnen verbrachten zwischen 2007-2017 zehn Jahre damit, Seeotter zu beobachten, welche Muscheln am Standort Elkhorn Slough in Kalifornien verzehrten. Ihre Analyse ergab, dass Muscheln die häufigste Beute an diesem Ort waren und die einzige Beute, für die die Seeotter stationäre Amboss-Steine verwendeten. Die Seeotter verwendeten solche Steine für etwa 20% der Muscheln, die sie konsumierten.

Interessanterweise zeigte eine sorgfältige Analyse der stationären Amboss-Steine mit archäologischen Methoden, dass ihre Verwendung zu einem erkennbaren Schadensmuster führte, welches sich von dem Muster unterschied, das durch menschlichen Gebrauch verursacht werden würde. Zum Beispiel schlugen die Seeotter die Muscheln bevorzugt gegen Spitzen und Grate auf den Felsen und schlugen die Felsen vom Wasser aus, anstatt vom Land oder von oben auf den Felsen.

Konsistentes Schadensbild an gebrochenen Muschelschalen deutet höchstwahrscheinlich auf "Pfötchenbildung" bei Seeottern hin

Neben den Steinen selbst analysierte das Forschungsteam auch sorgfältig die um die stationären Ambosse herum verbliebenen Muschelreste. Die Forscher entnahmen eine Zufallsprobe der Schalenfragmente aus diesen Schalenhaufen, die wahrscheinlich bis zu 100 einzelne Muschelschalen enthielten. Sie fanden ein äußerst einheitliches Schadensbild, wobei die beiden Seiten der Muschelschale noch befestigt waren, aber ein diagonaler Bruch durch die rechte Seite der Schale verlief.

"Die Muschelbruchmuster bieten eine neuartige Möglichkeit, Muscheln zu unterscheiden, die von Seeottern auf emergenten Ambossen zerschlagen wurden, von denen, die von Menschen oder anderen Tieren zerbrochen wurden", erklärt Natalie Uomini vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte. "Für Archäologen, die vergangenes menschliches Verhalten ausgraben, ist es entscheidend, die Beweise für den Muschelverzehr durch Seeotter von dem durch Menschen unterscheiden zu können."

In Kombination mit der Analyse von Videos, die sie von den Ottern aufgenommen hatten, während die Tiere die Ambosse verwendeten, konnten die Forscherinnen und Forscher sehen, dass die Otter die Schalen gleichmäßig in beiden Pfoten hielten. Sobald sie jedoch die Schale gegen den Amboss schlugen, neigten sie dazu, ihre rechte Pfote leicht versetzt etwas höher zu halten. Obwohl die Gesamtzahl der beobachteten Otter klein war, deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass Otter, wie auch Menschen und viele andere Säugetiere, Händigkeit oder "Pfötchenhaftigkeit" aufzeigen könnten.

Potenzial für archäologische Untersuchungen des Verhaltens von Seeottern in der Vergangenheit

Die Forscher hoffen, dass die Studie für Archäologen, die mit Küstenpopulationen arbeiten, nützlich sein wird, um zwischen der Nutzung von Gesteinen durch Mensch und Seeotter sowie deren Verbrauch von Meeresressourcen unterscheiden zu können. Darüber hinaus könnte die Forschung bei zukünftigen Studien über die geografische Verbreitung der stationären Ambossverwendung im gesamten ehemaligen Seeotterverbreitungsgebiet hilfreich sein und man könnte zudem erforschen wie weit in die Vergangenheit dieses Verhalten reicht.

"Unsere Studie deutet darauf hin, dass der stationäre Ambossgebrauch an Orten nachgewiesen werden kann, die zuvor von Seeottern bewohnt waren. Diese Informationen könnten helfen, die Anwesenheit und Ernährung von Seeottern an Orten zu dokumentieren, an denen sie derzeit ausgerottet werden", erklärt Jessica Fujii vom Monterey Bay Aquarium.

 "Weiter gefasst", fügt sie hinzu, "hilft uns die Wiederherstellung vergangener Spuren von Tieren, die Entwicklung von Verhaltensweisen wie die Verwendung von Steinambossen zu verstehen, welche im Tierreich selten ist und bei Meerestieren extrem selten vorkommt. Wir hoffen, dass diese Studie einen neuen Weg für das wachsende Gebiet der Tierarchäologie eröffnet."

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