Nicht alle skythischen Bevölkerungsgruppen lebten nomadisch

Isotopenanalyse menschlicher Überreste belegt sesshafte Lebensweise mit Ackerbau und Viehzucht

17. März 2021

Die Bevölkerungsgruppen der Skythen lebten von etwa 700 bis 200 Jahren vor unserer Zeitrechnung über ganz Eurasien verteilt und galten lange Zeit als hochmobile Kriegsvölker. Schon der griechische Geschichtsschreiber Herodot beschrieb sie als ein Volk, das in Wagen lebte und sich an Raubzügen und Kriegen beteiligte. Diese Einschätzung hat den Lauf der Geschichte überdauert und wurde auch durch archäologische Funde unterstützt, da man über das gesamte Gebiet der heutigen Ukraine verteilt einander in Stil und Machart ähnliche Pferdegeschirre, Waffen, Grabhügel und Tierdarstellungen fand. Deshalb hat die Geschichtsschreibung die Kulturen und Epochen der verschiedenen skythischen Bevölkerungsgruppen als eine einzige "skythische" Identität bezeichnet und sogar von einem skythischen Reich gesprochen.

Eine neue Studie, an der Wissenschaftler/-innen des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte federführend beteiligt waren, zeigt jedoch, dass das, was bislang als eine einheitliche Gruppe gesehen wurde, wahrscheinlich eine Reihe von Kulturen und Perioden umfasste. Durch die Analyse menschlicher Knochen und von versteinertem Zahnstein fand das internationale Forschungsteam heraus, dass die Menschen in dieser Region eher in urbanen Siedlungen lebten und Hirse anbauten sowie Viehzucht trieben, als dass sie nomadische Kriegsvölker waren.

"Unsere Studie zeigt ein insgesamt geringes Maß an menschlicher Mobilität in der Nähe der wichtigsten urbanen Standorte der skythischen Ära, im Gegensatz zu früheren Stereotypen von hochgradig nomadischen Bevölkerungen", erklärt Alicia R. Ventresca Miller, Erstautorin der Studie, ehemals Wissenschaftlerin am MPI für Menschheitsgeschichte und heute Assistant-Professorin für Anthropologie an der Universität Michigan. "Zwar nahm die Langstreckenmobilität während der Skythenzeit im Vergleich zu den vorangegangenen Perioden zu, sie war jedoch auf einen geringen Prozentsatz der Bevölkerung beschränkt.

Insgesamt nahm das Forschungsteam Knochen- und Zahnsteinproben von 56 menschlichen Skeletten aus den drei Begräbnisstätten Bel'sk, Mamai-Gora und Medvin und unterzog sie einer Isotopenanalyse. Diese Art der Analyse untersucht Isotope von Elementen – in dieser Studie Strontium, Sauerstoff, Stickstoff und Kohlenstoff – die durch Essen und Trinken im menschlichen Körper abgelagert wurden. So kann anhand der einzigartigen Zusammensetzung der Isotopen im Körper eines Individuums festgestellt werden, wo eine Person lebte und wohin sie reiste.

Zusammengenommen zeigten die Analysen, dass städtische Siedlungen Orte mit sozialer und wirtschaftlicher Vielfalt waren, an denen die Menschen Hirse anbauten und Vieh züchteten. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Menschen größtenteils dort blieben, wo sie Ackerbau und Viehzucht betrieben – obwohl sie andererseits dazu neigten, mehr umherzuziehen als in früheren Epochen.

"Die skythische Epoche war eindeutig eine Periode der Widersprüche, mit starken Hinweisen auf komplexe Interaktionen zwischen Agro-Pastoralisten und Pastoralisten, die zur Bevölkerungsaggregation in städtischen Gebieten beitrugen", sagt Ventresca Miller. Sie fügt hinzu: "Diese Studie unterstreicht den potenziellen Nutzen der Verwendung von Isotopenanalysen, um die vorherrschenden Modelle von Ökonomien und Mobilitäten während der skythischen Ära direkt zu beleuchten."

Für die Zukunft erhoffen sich die Wissenschaftler/-innen weitere Erkenntnisse darüber, wie sich die Menschen zwischen verschiedenen Standorttypen bewegten, z. B. zwischen städtischen Zentren und ländlichen Gebieten.

Auf diese Weise können wir uns weiter von den angenommenen Stereotypen der Migration und des Nomadentums entfernen und zu einem dynamischen und komplexen Verständnis der globalisierten skythische Gesellschaften gelangen", sagt Ventresca Miller.

Scythian epoch was clearly a period of contradictions, with strong evidence for complex interactions between agro-pastoralists and pastoralists that contributed to population aggregation in urban locales," said Ventresca Miller, also assistant curator of Asian archeology. "This study highlights the potential use of using isotopic analysis to directly assess prevailing models of economies and mobilities during the Scythian era."

In the future, researchers hope to provide further insights into how people moved between site types, such as urban centers versus rural settings, as well as between individuals with different grave goods and apparent social status.

"In this way, we can move further away from assumed stereotypes of migration and nomadism toward dynamic and complex insights into globalized Scythian societies," Ventresca Miller said.

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