Faustkeile überraschend später Herkunft auf der arabischen Halbinsel entdeckt

Zum ersten Mal konnten auf der arabischen Halbinsel gefundene Steinwerkzeuge sicher datiert werden: Sie sind weniger als 190 000 Jahre alt und wurden möglicherweise bis zur Ankunft des Homo sapiens in der Region hergestellt.

29. November 2018
Bereits vor mehr als 1,5 Millionen Jahren begannen frühe Menschen damit, Faustkeile herzustellen. Die durch das Vorkommen von Faustkeilen definierte archäologische Kultur wird als Acheuléen bezeichnet und beschreibt die am längsten währende Tradition der Werkzeugherstellung in der Menschheitsgeschichte. Neue Forschungen unter Leitung des Jenaer Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte und der Saudischen Kommission für Tourismus und Nationales Erbe zeigen, dass diese Kultur auf der Arabischen Halbinsel noch vor weniger als 190 000 Jahren gegenwärtig war. Demnach endete das arabische Acheuléen erst kurz vor oder zeitgleich mit der Ankunft des Homo sapiens in der Region. Die Studie erscheint in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Scientific Reports.

Der Ausbreitung des Homo sapiens, unserer eigenen Art, zunächst in Afrika und dann über Afrika hinaus wurde in der Forschung viel Aufmerksamkeit gewidmet. Weniger Beachtung fand die Frage, wo in Eurasien verschiedene Gruppen von nahen evolutionären Verwandten des Homo sapiens unmittelbar vor seiner Ankunft lebten. Dies zu klären ist deshalb bedeutsam, weil die räumliche und zeitliche Verteilung dieser Gruppen von Urmenschen über die menschliche und kulturelle Landschaft Auskunft gibt, welcher homo sapiens begegnete als er Afrika verließ.

Die jüngste Acheuléen-Stätte in Südwestasien

Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Jenaer Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte und der saudischen Kommission für Tourismus und Nationales Erbe veröffentlicht in der Fachzeitschrift Scientific Reports erstmals Daten von einer Acheuléen-Stätte in Arabien. Der Standort Saffaqah ist die erste und bislang einzige Acheuléen-Stätte auf der Arabischen Halbinsel bei der eine Stratigrafie dokumentiert werden konnte und die Daten belegen, dass bis vor mindestens 190 000 Jahren frühe Menschen dort lebten. Dies ist überraschend spät, da die Region mit zu den Gegenden gehört, in denen die ältesten Beispiele für die Herstellung von Steinwerkzeug außerhalb Afrikas gefunden wurden. Zum Beispiel dokumentieren Datierungen aus der Levante eine Acheuléen-Präsenz von vor 1,5 Millionen Jahren. Indessen sind die in Saffaqah gefundenen acheuléenischen Werkzeuge, die jüngsten, die bisher in Südwestasien gefunden wurden.

Über 500 Steinwerkzeuge, darunter Faustkeile und als "Spalter" bekannte Artefakte, wurden aus den Grabungsschichten geborgen. Einige der Steinabschläge, die bei der Herstellung von Faustkeilen entstehen, waren so frisch, dass sie noch auf den Felsknollen lagen, von denen sie abgelöst wurden. Diese und andere Fundstücke zeigen, dass die frühen Menschen an diesem Ort Steinwerkzeuge nicht nur gebrauchten, sondern auch herstellten.

"Es ist nicht überraschend, dass frühe Menschen hierher kamen, um Steinwerkzeuge herzustellen", sagt Erstautorin Dr. Eleanor Scerri vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte. "Die Stätte befindet sich auf einem markanten Andesit-Damm, der sich gegenüber der Umgebung erhebt. Der Ort war sowohl eine Rohstoffquelle als auch ein idealer Standort um die umliegende Ebene zu überblicken, die damals zwischen zwei großen Flusssystemen lag." Auch später scheint der Ort noch für Menschen attraktiv gewesen zu sein. Über den in der Studie datierten Sedimentschichten, lagern weitere Schichten mit identischen Faustkeilen. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Saffaqah zu den jüngsten dokumentierten Acheuléen-Stätten überhaupt gehört.

Einfallsreiche und intelligente Hominiden

Die neuen Datierungsergebnisse belegen zum einen den langen Fortbestand des Acheuléen auf der arabischen Halbinsel. Zum anderen zeigen sie, dass bisher nicht identifizierte Gruppen von Hominiden Netzwerke von inzwischen ausgetrockneten Flüssen nutzten, um sich in einer Zeit erhöhter Niederschläge im Zentrum Arabiens auszubreiten. Dies deutet darauf hin, dass diese Hominiden in der Lage waren, am Rande bewohnbarer Gebiete zu leben und die relativ kurzen "grünen" Episoden in einem allgemein trockenen Gebiet zu nutzen. Die Verbreitung dieser Hominiden ins Innere Arabiens kann auch dazu beitragen, den überraschend langen Fortbestand des Acheuléen zu erklären, da sie auf eine gewisse Isolation der Gruppen hindeutet.

"Diese Hominiden waren einfallsreich und intelligent", fügt Dr. Scerri hinzu. "Sie besiedelten eine herausfordernde Landschaft indem sie eine Technologie nutzten, die gemeinhin als Ausdruck von Mangel an Erfindergeist und Kreativität gilt. Anstatt das Acheuléen auf diese Weise wahrzunehmen, sollten wir beeindruckt davon sein, wie flexibel, vielseitig und erfolgreich diese Technologie war. “

Cutting edge Wissenschaft – Innovative Datierungsmethoden

Um die Sedimentschichten von Saffaqah zu datieren, verwendete das Forschungsteam eine Kombination von Datierungstechniken, die als Lumineszenzmethoden bekannt sind, einschließlich eines neu entwickelten Infrarot-Radiofluoreszenzprotokolls (IR-RF) für kaliumreiche Arten von Feldspat. Das Verfahren beruht auf der Fähigkeit solcher Mineralien, durch natürliche Radioaktivität induzierte Energie zu speichern und in Form von Licht freizusetzen. "Die Anwendung der IR-RF-Datierung erlaubt es uns, Altersbestimmungen von Sedimenten zu erhalten, die zuvor schwer datierbar waren", erklärt Marine Frouin von der Universität Oxford, eine der Wissenschaftlerinnen, die an dem Datierungsprojekt beteiligt waren.

Diese Entdeckungen und Methoden führen bereits zu neuen Forschungsfragen . "Eine der größten Fragen, die wir haben, ist, ob sich unsere evolutionären Vorfahren und Homo sapiens getroffen haben, und ob dies irgendwo in Saudi-Arabien hätte geschehen können. Die zukünftige Feldarbeit wird sich dem Verständnis des möglichen kulturellen und biologischen Austauschs in dieser entscheidenden Zeitspanne widmen", sagt der Leiter des Projekts Professor Michael Petraglia vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte.

Das internationale Konsortium der an diesem Projekt beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wird geleitet vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Kooperation mit seiner Königlichen Hoheit Prinz Sultan bin Salman und der Saudischen Kommission für Tourismus und Nationales Erbe. Zu den weiteren Partnern zählen die King-Saud-Universität und andere Schlüsselinstitutionen in Großbritannien und Australien.

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