Hunde wissen, wenn sie etwas nicht wissen

Wenn Hunde nicht über ausreichend Informationen verfügen, um eine sichere Entscheidung zu treffen, suchen sie – ähnlich wie Schimpansen und Menschen – nach weiteren Informationen

12. November 2018

Wissenschaftlerinnen am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte haben gezeigt, dass Hunde über einige "metakognitive" Fähigkeiten verfügen. Insbesondere wissen Hunde, wenn sie nicht über ausreichend Informationen verfügen, um ein Problem zu lösen. Ähnlich wie Primaten suchen sie in diesem Fall nach weiteren Informationen. Um dies genauer zu untersuchen, entwarfen die Wissenschaftlerinnen einen Versuch, bei dem Hunde hinter einem von zwei Zäunen eine Belohnung finden mussten – entweder ein Spielzeug oder Futter. Dabei zeigte sich, dass die Hunde signifikant häufiger nach zusätzlichen Informationen suchten, wenn sie zuvor nicht hatten sehen können, wo die Belohnung versteckt wurde.

Die Vergleichende Psychologie untersucht die kognitiven Fähigkeiten von Tieren und vergleicht sie mit den kognitiven Fähigkeiten des Menschen, um mehr über die Evolution dieser Fähigkeiten zu erfahren. Juliane Bräuer, Leiterin der Hundestudien am Jenaer Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, erforscht die kognitiven Fähigkeiten von Hunden, um diese Vergleiche anzustellen. In einer kürzlich in der Zeitschrift Learning & Behavior veröffentlichten Studie gehen Bräuer und ihre Kollegin Julia Belger (heute am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften) der Frage nach, ob Hunde über "metakognitive Fähigkeiten" verfügen. Diese werden auch als die Fähigkeit des "Wissens über das eigene Wissen" bzw. "Denkens über das eigene Denken" beschrieben. Die Wissenschaftlerinnen versuchten insbesondere herausfinden, ob Hunde wissen, über welche Informationen sie bereits verfügen, und ob sie weitere Informationen benötigen, um eine Aufgabe zu lösen.

Um dies zu testen, entwickelten die Wissenschaftlerinnen einen Versuchsaufbau mit zwei V-förmigen Zäunen. Als Belohnung für die Hunde wurde entweder Futter oder ein Spielzeug von einer Person hinter einem der beiden Zäune platziert, während eine andere Person den Hund zurückhielt. In einigen Fällen konnten die Hunde beobachten, wo die Belohnung versteckt wurde, während sie dies in anderen Fällen nicht konnten. Die Wissenschaftlerinnen beobachteten im Folgenden, wie häufig die Hunde durch eine kleine Lücke im Zaun schauten, bevor sie sich für eine der beiden Optionen entschieden. Die Frage war, ob Hunde – ähnlich wie bereits bei Schimpansen und Menschen nachgewiesen –"prüfen" würden, wo die Belohnung platziert wurde, wenn sie dies zuvor nicht beobachten konnten. Dieses Verhalten würde bedeuten, dass die Hunde wissen, dass sie nicht wissen, wo die Belohnung versteckt ist - eine metakognitive Fähigkeit - und dass sie versuchen, an weitere Informationen zu gelangen.

Einige Wissenschaftler argumentieren, dass manche Tiere, wie etwa Hunde, nur deshalb nach zusätzlichen Informationen suchen, weil dies ihrem routinemäßigen instinktivem Verhalten entspricht und nicht als Ergebnis eines metakognitiven Prozesses. Um dies zu kontrollieren, testeten Bräuer und Belger, ob Hunde den sogenannten "Reisepass-Effekt" zeigen, der ursprünglich von Joseph Call beschrieben wurde. Wenn Menschen nach etwas für sie sehr Wichtigem suchen, wie beispielsweise nach einem Reisepass vor einer großen Reise, suchen sie aktiver und überprüfen häufiger, wo dieser liegt, als wenn es sich um etwas weniger Wichtiges handelt, wie etwa ein Busticket. Menschenaffen zeigen dasselbe Verhalten - sie suchen häufiger nach hochwertigem Futter. Um zu testen, ob Hunde in ihrem Suchverhalten ebenfalls flexibel sind, variierten Bräuer und Belger bei den Belohnungen zwischen höher- und minder wertigem Futter sowie zwischen Spielzeug und Futter.

Die Hunde "prüften" häufiger, wenn sie nicht gesehen hatten, wo die Belohnung versteckt wurde

Die Wissenschaftlerinnen beobachteten, dass die Hunde signifikant häufiger nach der Belohnung suchten, wenn sie nicht hatten beobachten können, wo diese platziert wurde. "Diese Ergebnisse zeigen, dass Hunde dazu neigen, aktiv nach zusätzlichen Informationen zu suchen, wenn sie nicht gesehen haben, wo die Belohnung versteckt ist", erklärt Belger. "Das könnte darauf hindeuten, dass Hunde metakognitive Fähigkeiten besitzen. Durch ihr Verhalten zeigen sie, dass sie die Voraussetzung des Wissens über das Wissen beziehungsweise Nicht-Wissen erfüllen."

Die Suche nach zusätzlichen Informationen machte die Hunde jedoch nicht immer erfolgreicher. In der ersten Variante, in der die Hunde mit Futter oder Spielzeug belohnt wurden, waren die Hunde, welche durch den Zaun das Versteck der Belohnung überprüft hatten, häufiger erfolgreich als solche, die das nicht getan hatten. In der zweiten Variante mit höher oder geringer wertigem Futter als Belohnung, waren jedoch selbst Hunde, die durch den Zaun geprüft hatten, nicht überzufällig häufig erfolgreich. Bräuer und Belger vermuten, dass dies auf Inhibitionsprobleme zurückzuführen sein könnte. Die Hunde seien so begierig darauf gewesen, die Belohnung zu finden, dass sie nicht unterdrücken konnten, hinter dem nächstgelegenen Zaun nach ihr zu suchen, selbst wenn sie gesehen hatten, dass die Belohnung dort wahrscheinlich nicht zu finden war.

Darüber hinaus haben die Hunde in der ersten Variante häufiger nach dem Spielzeug gesucht als nach dem Futter. Das deutet darauf hin, dass sie bei der Suche flexibel sind und sich nicht nur routinegemäß verhalten. In der zweiten Variante prüften sie die Platzierung des hochwertigen Futters jedoch nicht häufiger, obwohl sie schneller danach suchten. Insgesamt kamen die Wissenschaftlerinnen zu dem Schluss, dass Hunde zwar eine gewisse Suchflexibilität zeigen, aber nicht so flexibel sind wie etwa Primaten.

In einer dritten Variante des Tests konnten die Hunde die Platzierung des Futters in jedem Fall beobachten. Sie mussten jedoch eine jeweils festgelegte Zeitspanne zwischen 5 Sekunden und 2 Minuten warten, bevor sie die Belohnung suchen durften. Interessanterweise prüften die Hunde bei einer längeren Zeitverzögerung nicht häufiger, obwohl sie unter dieser Bedingung etwas seltener erfolgreich waren. "Es ist möglich, dass dies auf einen sogenannten "Deckeneffekt "zurückzuführen ist: da Hunde bei dieser Variante in 93 Prozent der Fälle sowieso den richtigen Zaun auswählten, war vermutlich der Druck für die Suche nach zusätzlichen Informationen zu gering ", schlägt Belger als mögliche Interpretation dieser Beobachtung vor.

Besitzen Hunde metakognitive Fähigkeiten?

Die Ergebnisse erlauben es den Wissenschaftlerinnen nicht, abschließend zu beurteilen, ob Hunde metakognitive Fähigkeiten besitzen, obwohl die Studie einige Hinweise dafür liefert. "Für den Menschen ist das Sehen ein wichtiger Sinn für das Sammeln von Informationen. In diesem Fall basierte unser Experiment auf einer Prüfung, die sich auf das Sehen stützte - aber die Hunde nutzten wahrscheinlich auch ihren Geruchssinn während sie durch den Spalt schauten. Wir wissen, dass der Geruchssinn für Hunde sehr wichtig ist und wir konnten sehen, dass sie ihn benutzen.", sagt Bräuer. "In Zukunft möchten wir ein Experiment entwickeln, das untersucht, unter welchen Umständen Hunde sich entscheiden, ihren Geruchs- anstatt ihres Sehsinns zu nutzen. Das kann uns zusätzliche Erkenntnisse über ihre Fähigkeiten zur Informationssuche geben."

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